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Grüner China-Kurs mit mehr Härte: Baerbock fordert Wachsamkeit - „Dürfen nicht naiv sein“

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Von: Christiane Kühl

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kurz vor einer Pressekonferenz zum Verfassungsgerichts-Urteil zu dem Klimaschutzgesetz
Schärft ihr China-Profil: Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock © JOHN MACDOUGALL/AFP

Fünf Monate vor der Bundestagswahl schärfen die Grünen ihr China-Profil. Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock warnt vor Chinas Neuer Seidenstraße und fordert Wachsamkeit.

Berlin/München - Sie sind bislang nicht in der Regierung - aber praktisch jede Umfrage sieht sie ab September dort, ob als Nummer zwei oder Nummer eins: Die Grünen. Zu vielen politischen Themen sind die Grünen-Standpunkte bekannt. Außenpolitisch aber muss Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ihr öffentliches Profil noch schärfen - und das tut sie derzeit im Zusammenhang mit China. Kürzlich forderte sie eine Mischung aus „Dialog und Härte“. Und am Montagabend plädierte sie im Gespräch mit der Bundesakademie für Sicherheitspolitik für eine stärkere gemeinsame Position der EU gegenüber de Volksrepublik.

„Wir dürfen gegenüber China nicht naiv sein“, sagte Baerbock. Vor allem mit Blick auf wirtschaftspolitische Maßnahmen gehe von China eine Gefahr aus. Das Land versuche, wirtschaftliche Abhängigkeiten etwa durch Investitionen in Infrastruktur zu schaffen. „Das ist der entscheidende Punkt, wo wir als Europäer sehr wachsam sein müssen“, mahnte Baerbock - ein Wink auf Chinas Infrastrukturprogramm der Neuen Seidenstraße, die sich auf immer mehr Projekte in Europa ausdehnt. Daher müsse Europa sich etwa mit Blick auf Direktinvestitionen in hiesige Infrastruktur „selbst schützen“, erklärte die Grünen-Chefin. Auch Produkte aus Zwangsarbeit etwa in Xinjiang haben nach Ansicht Baerbocks in der EU nichts zu suchen, wie sie kürzlich betonte.

Baerbock: Europa muss gegenüber China auch Werte verteten - nicht nur Wirtschaftsinteressen

Zugleich habe die EU eine Verantwortung gegenüber anderen Ländern, betonte Baerbock. In einem „fairen Wettbewerb mit fairen Handelsabkommen“ müsse Europa andere Staaten vor chinesischer Abhängigkeit bewahren. Dass dies Brüssel nicht ganz leicht fällt, zeigt der Streit um die Umschuldung eines chinesischen Kredits an Montenegro für den Bau einer Autobahn - ein typisches Projekt der Neuen Seidenstraße. Montenegro kann den 2014 aufgenommenen Milliardenkredit nicht bedienen - und wollte die EU um Unterstützung bei der Refinanzierung eines Kredits bitten. Doch die EU-Kommission lehnte ab und bot lediglich vage formulierte Hilfen an.

Eine Politik, die nur Interessen verfolge und Werte außer Acht lasse, falle der EU aber auf die Füße, sagte Baerbock. Für diesen Ansatz stehen die Grünen in Deutschland und Europa seit Jahren. Baerbock selbst gehört ebenso wie Co-Parteichef Robert Habeck und der EU-Parlamentsabgeordnete Reinhard Bütikofer zu den Kritikern an dem eher auf die Wirtschaftsförderung ausgerichteten China-Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bütikofer kritisiert unter anderem das von Deutschland gepuschte Investitionsabkommen CAIder EU mit China, das vom Europaparlament ratifiziert werden muss. Wegen seiner Kritik an der Menschenrechtslage in Xinjiang gehört er zu jenen, gegen die Peking kürzlich Sanktionen verhängte.

Grüne: Intensive China-Debatte steht noch bevor

Noah Barkin von der Denkfabrik Rhodium Group sprach kürzlich für eine Studie für das Asienprogramm des German Marshall Fund über die China-Politik der Grünen mit mehreren ihrer Politiker:innen in Brüssel - denn der Kurs einer künftigen Regierungspartei in Deutschland interessiert natürlich auch das Ausland. „Alle Mitglieder, mit denen ich gesprochen habe, waren der Ansicht, dass Deutschland bereit sein muss, wirtschaftliche Opfer zu bringen, um eine robustere, gemeinsamere europäische Strategie zu verfolgen“, schrieb Barkin. Viele hätten sich für eine enge Zusammenarbeit mit der neuen Regierung von Präsident Joe Biden in den USA und anderen demokratischen Verbündeten gegenüber China ausgesprochen.

Die Frage, wie eng Deutschland und Europa beim China-Kurs mit den USA zusammenarbeiten sollen, diskutieren derzeit alle - auch innerhalb der Grünen. Grünen-Veteran Jürgen Trittin, der Mitglied im Auswärtigen Ausschusses des Bundestags ist, kritisiere China selten, ohne auch den USA eins mitzugeben, schreibt Barkin. Trittin sehe etwa den chinesischen Telekommunikations-Ausrüster Huawei als „Geisel“ in der US-Kampagne zur Eindämmung chinesischer Macht.

Den Grünen steht also bis zur Wahl eine grundsätzliche China-Debatte ins Haus - auch deshalb muss Annalena Baerbock ihre Pfähle einrammen. Komplett außer acht lassen will die Kanzlerkandidation die Wirtschaft nicht. So betonte sie, dass die EU sich bei aller Vorsicht nicht komplett von China abschotten könne. „Dafür ist es ein viel zu großer Markt.“ Auch warb sie, wie es auch Angela Merkel tut, für den Erhalt des Dialogs: Die Menschenrechtslage in China lasse sich nicht dadurch verbessern, dass man nicht mehr miteinander spreche. (ck/mit dpa)